Business as usual – Mobiles Arbeiten auf Kreta während der 31tägigen Rollstuhlzeit!

Die aktuelle Wasserstandsmeldung lautet: Der „Alte“ ist zurück!

Nach zehn Tagen war der Gips am rechten Bein ab. Beide Beine eingegipst, nie wieder. Das muss ich nicht nochmals haben. Nach 6 Stunden Wartezeit im Universitätsklinikum von Heraklion, wiederholten Röntgenaufnahmen und einer 3minütigen Unterredung mit dem Arzt durfte ich wieder verschwinden. „Alles gut, Schmerzen müssen sie ertragen. Üben sie wieder den rechten Fuß voll zu belasten. In 20 Tagen sehen wir uns wieder. Dann schauen wir, was der linke Fuß macht.“ 20 Jahre jünger und ich hätte ihm eine geknallt! Meine liebe Nicole musste mich zurück halten. Gut, dass ich der englischen Sprache nicht so mächtig bin. Gut, dass Dr. Kouvidis und seine Assistenten kein Deutsch verstehen. Oder nur bruchstückweise. Ich habe ihm mehr als durch die Blume zu verstehen gegeben, dass er mich nicht nochmals so lange warten lässt. Dieses Chaos hier verschlägt mir die Sprache. Was sagte er zum Schluss frei übersetzt? „Sorry, heute war Notfalltag. War ein bisschen viel los. Schönen Aufenthalt noch bei uns auf Kreta.“ Das Gute an der gesamten Geschichte ist, ich bin beim besten orthopädischen Arzt auf Kreta gelandet. So pfeifen es die Zikaden von den Sträuchern. Wo ich hinhöre, nur gute Meinungen. Na dann…

Im Rollstuhl oder auf Krücken auf Kreta und du bist verloren! Noch nicht einmal im Krankenhaus ein funktionierendes Behinderten-WC. Jedenfalls nicht in der unteren Etage, sprich Erdgeschoss. Von der allgemeinen Öffentlichkeit, in den Dörfern und kleinen Städten nicht zu reden. Fußwege und/oder die sogenannten Bürgersteige – vergiss es. Auch die Straßen-Belagsverhältnisse verleiten nicht zum Übermut. Im Rollstuhl natürlich. Nur sehr wenige, ausgewählte Tavernen, Bars, Geschäfte et cetera bieten eine rollstuhl-/behindertengerechte Auffahrt/Rampe. Just Men, mein Lieblingsfriseur in Timbaki ist so gesehen gut ausgestattet. Der beste Haarschneider der Messara!

Meinem rechten Fuß geht es von Tag zu Tag besser. Er wird gehegt und gepflegt, mit Arnika einbalsamiert, gekühlt, massiert und mehr und mehr trainiert. Neben dem Rollstuhl habe ich nun auch noch neue Krücken bekommen. So hinken wir auf einem Schinken!

Jedenfalls funktioniert der Kopf. Mein Mundwerk, das Hauptarbeitsgerät, funktioniert einwandfrei. Der Laptop spult sein Pensum ab, die Skype-Telefonie ist störungsfrei, die mobilen Daten werden verbraucht. Wenn nicht im Büro so sitze ich mit meiner Co-Skipperin bei Michalis im Paradise am Kalamaki-Beach, bei Markos in Kamilari oder in der tagsüber geschlossenen Pizzeria Ariadni, ebenfalls in Kamilari. Alle zuvor Erwähnten kennen wir persönlich seit Jahren. Super WLAN, Unkompliziertheit, Freundlichkeit, alles kein Problem. Mobiles Arbeiten macht es möglich. Was für ein Leben, was für eine Arbeitsmoral, was für ein Ambiente. Work-Life-Balance in höchster Vollendung. Wären da nicht manchmal die über 40 Grad Celsius Mittagstemperaturen. Wenn wir draußen sitzen, reduzieren wir die tägliche Arbeitszeit. Drei Stunden müssen reichen. Mein linker Gips „schmilzt“ sonst in der Sonne. Die Schmerzen nehmen dann von Minute zu Minute auch zu. Der Kreislauf kollabiert. Trinken, Junge, trinken. Ich fühle mich schon wie ein Kamel. Soviel Wasser kann kein Mensch in sich rein schütten. Oben rein, und unten nicht raus. Wo bleibt die gesamte Flüssigkeit? Im klimatisierten Büro sind wir dann disziplinierter. Deutsche unternehmerische Mentalität. Verrückt, oder? Läuft doch sowieso nichts weg!

Heute ist erneut Hospital-Time. Mein lieber Doktor Kouvidis wartet. Möchte sich den linken Fuß anschauen. Der Gips muss ab. Erst einmal neue Röntgenbilder. Und, Wunder passieren immer wieder! So gegen 10.00 Uhr waren wir in der Orthopädie. Nach 12.00 Uhr rolle ich gipsfrei, noch im Rollstuhl, mit leichten Schmerzen und noch Bluterguss unterlaufenem linken Fuß wieder aus der Universitätsklinik. Zehn Tage gebe ich mir, dann laufe ich wieder wie ein junger Gott. Ok, wird wohl noch etwas länger dauern. Die Stimmung steigt wieder. Wegen jeder Kleinigkeit auf Hilfe angewiesen zu sein. Die Höchststrafe, das Todesurteil für mich. Nun können wir auch langsam die Rückfahrt in Angriff nehmen. Der rechte Fuß arbeitet bestens. Er muss nur Gas und Bremse betätigen. Der Linke muss für das Kuppeln trainiert werden. Die Krücken bleiben noch als Weggefährten für einige Zeit. Meinen „Kreta-Porsche“, sprich Rollstuhl habe ich entsorgt. Was für eine Befreiung!

In diesem Sinne melde ich mich bestimmt von Bord der Fähre mitten auf der Adria auf dem Weg von Patras nach Venedig.

Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Sämtliche Fähren sind bis Mitte September alle ausgebucht. So bleibt dann nur der Rückweg über die Balkanroute.

Sonnige Grüße aus Kamilari/Südkreta

HJR