Die elegante Stadt am Meer nimmt uns in ihre Arme!

Neuer Tag, neues Wetterglück! Und, eine ganztägige Motorfahrt ist angesagt. Schwache Winde, umlaufend, dann nordwestlich, mehr als zwei Beaufort achterlich ist nicht drin. Nehmen wir doch gerne in Bezug auf das Kap Ferret in kauf. Wenn alle von Arcachon schwärmen, müssen wir uns das anschauen und mindestens einen Tag bleiben.
Nach über zwei Wochen mit strahlendem Sommer-Sonnenhimmel ist es heute bedeckt mit Nieselregen. Der Regen ist nur von kurzer Dauer aber der sehr wolkenverhangene Himmel hält sich hartnäckig. Und heute kommt für mich das erste Mal Atlantikgefühl auf. Wir motoren auf der 25-Meter-Tiefenlinie immer schön der französischen Biskayaküste mit den über 300 Kilometer langen Sandstränden entlang. Und die Dünung kommt von West/Nordwest, also vom offenen Atlantik. Allein diese Dünung hat bei diesem sehr schwachen Winden oftmals eine Höhe von zwei Metern. Lang gezogen, harmonisch, schweben wir manchmal über die Biskaya unter Motor.

Wenn ich so auf die Küstenlinie schaue, komme ich zu der Erkenntnis, dass die Bretgane, insbesondere Südbretagne mit Endziel La Rochelle das Sahnestück des Segelreviers ist. So sind wir beiden Oldies gespannt auf Arcachon. Denn Arcachon gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Badeorten an der französischen Atlantikküste. Die besondere Lage an der gleichnamigen Bucht, die Innenstadt mit den schönen Villen und Standpromenade lassen wir uns nicht entgehen. Aus einem bedeutungslosen Fischerdorf hat sich Arcachon im 19. Jahrhundert unter Anteilnahme eines aus Bordeaux stammenden Investors über die Jahrzehnte zu einem Luxusbadeort entwickelt. Heute spielt natürlich der Tourismus und die Austernzucht eine wesentliche wirtschaftliche Rolle.

Nach zehn Stunden erreichen wir das Kap Ferret und die Ansteuerungstonne in das gut gekennzeichnete Fahrwasser. Und die Dünung kommt, alter Schwede. Von 25 Meter Wassertiefe geht es runter auf wenige Meter. Die vorgelagerten Sandbänke tun ihr übriges dazu. Die Seekartenangaben sind unterschiedlich. Erst mal rein ins breite betonnte Fahrwasser. Vor uns eine belgische Yacht mit einem älteren Eigner-Ehepaar. Die habe ich bereits seit einer Stunde auf dem AIS gesehen. Die dümpeln vor dem Fahrwasser auf sieben Meter Tiefe und warten. Der Wind nimmt zu, die Wellen kommmen. Eine kurze „Ehrenrunde“ um die Yacht, kurzer, lauter, unverständlicher Austausch. Die Handzeichen signalisieren Tiefe, Welle, Unsicherheit. Wir probieren es! Der Wind ist nicht das Problem, die Dünung mit den sich parallel zum Fahrwasser brechenden Wellen kann nicht nur sehr herausfordernd sondern äußerst unangenehm werden. Hoffentlich ist es tief genug.

Wir tasten uns rein, noch läuft es gut. Die Tiefe passt, denn wir laufen fast zu Hochwasser ein. Acht Meter, zehn Meter, fünfzehn Meter und teilweise mehr. Das gibt ein Sicherheitsgefühl. Ein unerfahrener Segler, der nach Backbord schaut bekommt ein mittleren Herzinfarkt. Sie kommen, die Wellen und brechen. Wir rollen, aber gewaltig. Mitsegler Jürgen lotst mich, schaut nach den Tonnen, gibt die Richtung vor. Immer schön mittig im Fahrwasserbleiben. Ich steuere unsere OCEAN SPIRIT durch diese anspruchsvolle Paasage bis wir Landabdeckung haben. Denn hier gibt es die höchste Wanderdüne Europas, die „Dune de Pilat“. Schlagartig wird es ruhiger, enspannter, noch eine dreiviertel Stunde und wir sind in Arcacon angekommen.

Der Hafen ist sehr groß, jedoch bei Niedrigwasser an einigen Stellen zu flach für uns. Ein Anruf auf Kanal 9 beim Hafenmeister ist üblich, nur meldet sich niemand zurück. Feierabend in Frankreich. Die Kopfseite vom Steg G, Tiefenmesser zeigt sechs Meter. Muss reichen, wird reichen. Hatte ich in La Rochelle auch gedacht und nicht berücksichtigt, dass Spring-Niedrigwasser mit einem Koeffizient von 103 ist. In der Realität heißt das, einen halben Meter liegen wir mit unserem Kiel im Schlick – Grundberührung. Da kommen Nordsee-Gefühle auf. Vor acht Jahren im Altstadthafen von Stade hatten wir zuletzt dieses Phänomen. Na ja, kann ja nichts passieren. Der Untergrund schön weich und das Wasser läuft wieder auf.

Nach zwei langen Tagen auf See machen wir heute auf lau. Hafentag gleich Spaziergang durch Arcacon mit kleinem Einkauf, Stadtbummel und so weiter. Der blaue, wolkenlose Himmel zeigt sich auch wieder, die Stimmung an Bord ist gut. Während ich schreibe ist mein Hobby-Koch an Bord in der Küche aktiv. Rentner müssen beschäftigt werden, sonst langweilen sich sich.

Arcachon hat etwas, vielleicht hier und da etwas in die Jahre gekommen, aber sonst ganz nett und der Beschreibung von der eleganten Stadt am Meer möchte ich nicht wirklich widersprechen. Wir bummeln am schönen, feinen Sandstrand entlang, schlendern durch die Straßen mit Boutiquen, Cafés und Restaurants, schlürfen einen teuren und schlechten Cappuccino respektive Frappé und ich ärgere mich über das teure Frankreich. Die Preise stehen häufig in keinem Verhältnis zur Qualität. Auf eine Kugel Eis für 2,50 Euro verzichte ich.

Arcachon ist ein guter/schöner Urlaubsort für die Familie mit entsprechendem Geldbeutel. Die Hafengebühren mit über 40 Euro pro Tag sind dementsprechend. So nutzen wir den Nachmittag noch zu Fuß um Arcachon lieb zu gewinnen. Mit dem Fazit, dass sich ein Besuch und ein eventueller Törn von La Rochelle bis hierher sich nicht wirklich zum zweiten Mal lohnt.

Sonnige Grüße von Bord aus Arcachon

HJR